Nun lieg ich da. Mitten im niederösterreichischen Nirgendwo. Drosendorf an der tschechischen Grenze. Es ist nachts gegen 22:00 Uhr. Kann kein Auge zumachen. Bin noch zu aufgedreht, voller Adrenalin. Es ist heiß im Auto. Den Schlafsack brauche ich nicht. Die beiden anderen Teamkollegen liegen in Wurfzelten 5m entfernt auf einer Grundstückswiese, wo wir vorher noch den Eigentümer um Erlaubnis baten.

Kurz darauf höre ich außen Stimmen. Es klopft an der Scheibe. „Sie kommen gleich!“ Ich fuhr hoch, wusste nicht wo ich bin, geschweige denn wer. Was mache ich hier eigentlich?

Aber der Reihe nach…

Als mich Thorsten vor einiger Zeit fragte, ob ich sein 5. Betreuer beim Race Around Austria in diesem Jahr sein möchte, war ich noch skeptisch. Die Woche passte so gar nicht in meine eigene Saisonplanung. Ich ging davon aus, dass ich selbst in dieser Woche nicht zum Training kommen werde. Das war aber schon alles, was ich mir vorstellen konnte. Denn ich wusste rein gar nicht, was hier auf mich zukommt. Schließlich sagte ich ihm zu, meinem Arbeitskollegen. Wollte ihn nicht hängen lassen, den Sportskammeraden

Am Montag, 07. August 2017 ging es los. Ich holte Norbert meinen Teamkollegen ab, um pünktlich gegen 10:00 Uhr bei Thorsten zu sein und von dort aus gemeinsam im Konvoy in Richtung Österreich aufzubrechen. Thorsten fuhr mit Bernd, der Team 1 als Teamkapitän komplettierte. Schon auf der Autobahn fiel mir der zügige Fahrstil von Bernd auf. Trotz 2 Fahrrädern auf dem Fahrradträger konnte ich unserem Pace Car (darum heißt das wohl so) kaum folgen und wir verloren uns im Verkehr. Das Ziel aber war klar: St. Georgen im Attergau.

Angekommen gegen 14:00 Uhr lernte ich die Österreich Fraktion endlich persönlich kennen. Bis dahin nur per WhatsApp und Tel. Konferenz. Manfred (Dr. House) und Markus (der Ortskundige), zwei sehr angenehme und sympathische Zeitgenossen. Schnell wurden die Startunterlagen geholt, so dass zügig die Autos beklebt werden konnten. Nachdem alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, inkl. pre race meeting, konnte die Nacht, nach einer Pizza und einem Glas Rotwein, nochmals in einem Hotelbett verbracht werden.

Tag1 ist schnell erzählt. Mit viel Sonne und hohen Temperauren ging es in Richtung Passau hoch am Inn entlang. Die Stimmung im Auto war gut Thorsten radelte wie ein Duracellhase auf dem Zeitfahrrad. In Niederranna Radwechsel. Wir fuhren vor und bereiteten das Rennrad vor. Auch der Garmin wurde ausgetauscht. Wie es Thorsten geplant hatte übernahm er Rennrad mit neuer Verpflegung und fuhr los. Alles war noch easy. Plötzlich zeigte unser Navi eine Abweichung von der Strecke und wollte uns zurück zum Ausgangspunkt lotsen. Hektik im Auto kam auf. Der Garmin von Thorsten zeigte komischerweise das gleiche Problem an. Nachdem wir feststellten, dass wir uns schon ca. 10 km verfahren hatten, wurde Thorsten samt Rad ins Pace Car gepackt und zum nächsten Streckenpunkt gefahren. Das Reglement sieht eine solche Aktion nicht als Verstoß. War ja ein 10 km Umweg. Unser Fahrer Bernd hat hier seinen vorher bereits angemerkten Fahrstil bestätigt und raste durch die Pampa und ebenso Orte. Wohlgemerkt hatte ich hinten keinen Sitz, so dass ich mich vehement an den Fahrersitz klammerte, um nicht wie ein Flummi in unserem begehbaren Kleiderschrank umher zu purzeln. Anschließend verlief die restliche Schicht aber wieder ruhig. Trotzdem waren wir alle noch angefressen wegen der Aktion. Wollten doch alle, dass unser Fahrer keine „junk miles“ fahren muss.

Dann machten wir uns nach dem ersten Teamwechsel gegen 17 Uhr mit dem 2. Begleitfahrzeug (mein Caddy) in Richtung Freistadt auf, um eine richtiges Abendessen zu finden. Das erledigten wir ohne Umwege in Form des bereits im Vorfeld viel diskutierten Cordon Bleu. War wohl ein Insider aus dem Jahre vorher. Mir egal, Cordon Bleu geht immer. Auch bei mir.

Frisch gestärkt ging es in Richtung Drosendorf, wo wir nach einem aus dem Vorjahr bekannten Stimmungsnest nachts gegen 01:00 Uhr unseren 2. Teamwechsel vorbereiteten. Von Stimmungsnest jedoch noch keine Spur. Darum entschieden wir uns die beiden Zelte in bereits erwähntem Grundstück hochzuwerfen. Waren nämlich Wurfzelte

30 min. nach dem sanften Weckvorgang hörte man was kommen. Es schallte ein Megafon, mit dem man den vorweg fahrenden Radler navigierte. Zu dritt kamen sie. Drei nacheinander blinkende Vehikel, mitten in der Nacht. Wie ein Schwertransport bahnten sie sich ihren Weg. Thorsten bog links zu uns ab. Mitten in der Kurve, zugegebenermaßen ein nicht ganz optimal gesetzter Wechselpunkt, aber alles klappte und wir übernahmen wieder das Ruder. Weiter Entlang der tschechischen Grenze durch die Walachei. Ich selbst top fit. Kein Anzeichen von Müdigkeit.

Ich sorgte im Rückraum des Autos für Ordnung und mischte die Verpflegung für Thorsten zusammen. Nebenbei kümmerte ich mich um unsere Garmins, welche uns oftmals aus technischen Gründen im Stich gelassen haben und versuchte diese immer wieder zum Laufen zu bringen. War also ständig beschäftigt, wenn wir nicht gerade unseren Athleten verpflegen durften.

Sorgenfalten machten sich unter den Betreuern von Team 2 breit. Diese teilten uns beim Wechsel mit, dass anscheinend mit dem Pace Car etwas nicht in Ordnung schien und ein nicht unerheblicher Defekt vermutet wird. Damit sich Thorsten keine unnötigen Sorgen machte, sollte es vermieden werden ihm in irgendeiner Weise Andeutungen zu machen oder gar etwas zu sagen.

Es war ein merkwürdiges Geräusch und Gefühl an der Kupplung. Eine Art Schleifen, Kratzen gefolgt von kurzem Hoppeln. Sollten wir wirklich das Pace Car in die Werkstatt bringen müssen, wäre das eine wirklich große logistische Herausforderung gewesen das Rennen fortzuführen. Irgendwann bemerkte Bernd unser hauptamtlicher Fahrer von Team 1, zufälligerweise im Rückspiegel, dass mit dem Geräusch und den merkwürdigen Anzeichen die Bremslichter automatisch aufleuchteten. Da dies ja die erste Nacht gewesen ist und wir vom Reglement angehalten waren den Athleten nachts ausschließlich dicht hinterher zu fahren, so dass dieser zum zusätzlich angebrachten Licht am Rad im Lichtkegel des Fahrzeugs fährt, vermuteten wir eine Sicherheitsregulierung unseres Pace Cars. Norbert machte sich auf die Suche im Fahrzeugmenü und siehe da, die Kollision und Bremsautomatik war eingeschalten. Die japanischen Autobauer (Toyota) gingen wohl nicht von einer Fahrradfahrerverfolgung über 2.200 km aus. Haha… Wir schalteten die Automatik ab und alles war in bester Ordnung. Der befürchtete Autoschaden konnte morgens gegen 03:00 Uhr ad Acta gelegt werden.

Der 2. Tag brach an und wir fuhren einem wunderbaren Sonnenaufgang entgegen. Einen Kreisverkehr nach dem anderen durchkreiselten wir. Hier war immer erhöhte Aufmerksamkeit gefordert. Norbert unser Chefnavigator machte einen fantastischen Job. Mit dem Roadbook in der linken und dem Megafon in der rechten Hand glich er jede Kreuzung und die darin aufgeführten Hinweis ab und schickte Thorsten in die richtige Richtung, falls dieser Anstalten machte falsch abzubiegen. Jeder Streckenpunkt wurde akribisch abgehakt.

Auch an diesem Tag waren wieder heiße Temperaturen und wir übergaben unseren Athleten pünktlich mittags gegen 13:00 Uhr, wie geplant, Team 2 in Lockenhaus im Burgenland nahe der ungarischen Grenze. Iso und Wasser wurde in deren „Pause“ besorgt, so dass die nahezu aufgebrauchten Vorräte im Pace Car wieder aufgefüllt werden konnten.

Aufgefüllt werden sollte auch AdBlue, worauf unser aus Japan stammendes Pace Car diesmal mit einer Meldung im Fahrerdisplay hingewiesen hat. Nur wo füllt man das verdammt nochmal ein? Georg ein Betreuer aus dem letzten Jahr, dessen Auto der Japaner ist, konnte schnell per WhatsApp für Aufklärung sorgen. Sollte doch eigentlich ausreichend aufgefüllt gewesen sein. Nichts ist unmöglich… Toyota ;))

Mit Georg dem daheimgebliebenen Betreuer aus dem letzten Jahr war ich, witziger Weise, bereits 2012 gemeinsam in einem Trainingslager auf Lanzarote gewesen. Dies stellte sich aber erst auf der Anfahrt nach Österreich, im Small Talk mit Norbert heraus. Aber dies nur am Rande.

Wir machten uns auf den Weg in Richtung Soboth. Irgendwo in dieser Gegend wurde der nächste Wechsel angenommen. Wir fuhren nach Lavamünd und konnten einen Camping Platz ausfindig machen, der mit einer Duschmöglichkeit lockte. Nach dieser erfrischenden Dusche machten wir uns zu Fuß auf in Richtung Ort (bewegten wir uns doch den ganzen Tag nicht) und genehmigten uns das verdiente Abendessen und ein, zwei Bierchen.

Zurück am Camping Platz wurde kurz in die Heimat telefoniert und der Stand mitgeteilt, ehe ich es mir erneut in meinem Caddy gemütlich machte. Bernd und Norbert krabbelten abermals in die Zelte, beide eher zu lang oder die Zelte einfach zu kurz. Wohlgemerkt war es noch hell… und auf dem Camping Platz steppte der Bär. Alle saßen noch außen zusammen und nahmen bei deren Gesprächen natürlich keine Rücksicht auf übermüdete RAA Betreuer. Bernd erzählte morgens auch von einer später noch eintreffenden Rockergang. Die Möglichkeit auf viel Schlaf war also auch hier für uns nicht wirklich gegeben.

Wieder klopfte es an der Autoscheibe und Norbert weckte mich mit den Worten: „Sie sind auf dem Weg, haben eben angerufen“. Die Uhr zeigte erst kurz nach 00:00 Uhr! Team 2 hatte schon angekündigt vor 01:00 Uhr da zu sein. Ich rappelte mich auf und zog mich an. Jetzt revanchierten wir uns bei den Camping Platz Nachbarn für die Ruhestörungen am frühen Abend und machten selbst den ein oder anderen Radau. Wir fuhren in den Ort, wo Team 1 im Zentrum schon auf uns wartete. Thorsten verkroch sich grad ins Pace Car, mit der Absicht für 40 Minuten zu schlafen. Nach erfolgter Übergabe und Austausch aller News verabschiedete sich Team 2 in Richtung Camping Platz. Wir standen bei angenehmen Temperaturen im Zentrum von Lavamünd. Noch nicht ganz ausgeschlafen putzte ich mir die Zähne und nahm einen ersten Snack als schnelles Frühstück zu mir. Wir flüsterten und wechselten die Straßenseite, um mit unseren Gesprächen Thorsten in seiner wohlverdienten Schlafpause nicht zu stören. Bereits sehr ungeduldig die Uhr kontrollierend, weckte Team Captain Bernd unseren Athleten nach exakt 40 Minuten Schlafpause.

Schicht 3 begann reibungslos und Nummer 26 (Thorsten) strampelte wie gewohnt vor uns her. Morgens um 06:00 Uhr dann der erste Regen. Wir teilten Thorsten mit, dass es laut Wetter Radar nicht so lange dauern sollte. Plötzlich befanden wir uns in einem heftigen Gewitter wieder. In einem kurzen Abstimmungsstopp über die weitere Vorgehensweise fallen mir noch heute die Worte von Thorsten ein: „In so einem Gewitter sollte man eigentlich nicht wirklich Radfahren“. Aber unser Athlet setzte die Fahrt auch im schlimmsten Gewitter fort und zeigte schon zu diesem frühen Zeitpunkt im Rennen, dass ihm in diesem Jahr nichts stoppen könne. Zwischenzeitlich musste er wohl auch an eine Art Motivationstaktik unsererseits gedacht haben. Hörte es nicht wirklich auf, wie aus Eimern zu schütten, wir ihm aber immer wieder auf Wetterbesserung hingewiesen haben. Die Wettervorhersagen und das Live Wetter stimmten jedoch nicht wirklich überein. Thorstens linkes Knie schmerzte, was ihn sichtlich ins Grübeln brachte. Wirkte auch auf Grund des Regens etwas niedergeschlagen, was ich sehr nachvollziehen konnte. Umgehend informierte ich Doc Manfred aus Team 2 über die Kniethematik, damit er sich schon mal was ausdenken konnte.

Die Hände zwischenzeitlich sichtbar aufgequollen vom Regen setzte Thorsten nach diversen Kleidungswechselstopps und Pinkelpausen unbeirrt das Rennen fort. Wir machten unseren Job, verpflegten ihn und dank funktionierender Teamarbeit reibungslos.

Wiederholt übergaben wir zeitgerecht kur nach 13:00 Uhr an Team 2.

Ich fuhr wie immer im Anschluss an unsere Schicht das Team kreuz und quer durch Österreich zum nächsten vereinbarten Übergabepunkt. Hier ging es nicht wenige Male über einige Pässe. Rauf, runter, links, rechts. Zeitweise nicht schneller als mit 60 km/h war das bei den Wetterverhältnissen mit entsprechendem Schlafmangel schon herausfordernd, nach einer 12 Stunden Schicht.

In Mittersill machten wir unseren obligatorischen Verpflegungsstopp und suchten uns eine adäquate Futterstelle. Ich bemerkte an Hand der App (TracTrac) des Veranstalters, dass jeden Moment die führende Frau hier durchkommen sollte und wartete an der Straße. In dem ganzen Autodickicht übersah ich die zierlich, unscheinbare Radlerin aus Brasilien fast und konnte nur noch ein Foto von hinten schießen. Ohne jegliche Wahrnehmung einer solch außerordentlichen Leistung bahnte sie sich ihren Weg durch den Verkehr in Mittersill, welcher gelinde ausgedrückt Hölle war. So kam es, dass erst Minuten später ihr Pace Car vorbeifuhr.

Mittersill war für einen Wechsel jedoch zu nah, also fuhren wir weiter und entschieden auf Grund des anhaltend schlechten Wetters eine Unterkunft für die kommende Nach zu suchen. Die Buchung einer solch geeignet auf der Strecke liegenden Unterkunft nahm Norbert online vor. Die Wahl fiel auf ein Gasthaus in Stumm kurz vor Ried im Zillertal.

Endlich am Gasthaus angekommen, freuten wir uns auf ein echtes Bett. Unser Team Captain Bernd erklärte beim Einchecken die besondere Konstellation. Hier merkte man seine ganze Erfahrung aus den letzten beiden Jahren. Den Text spulte er herunter, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Die Hausherrin verstand jedoch nicht, dass wir nachts das Zimmer an unser zweites Team übergeben mussten, die dann morgens am Frühstückstisch sitzen würden. Also drei völlig andere Gesichter, als die beim Einchecken. Ehrlicherweise erklärten wir das im Vorfeld, wollten gleich mit offenen Karten spielen. Aber die ältere Dame willigte nicht in die Zimmerübergabe ein. Seien es doch Vorschriften in Österreich, die eine solche Vorgehensweise nicht zulassen würden. Wir sahen uns nur verwundert an und redeten auf die Dame ein. Die Vorfreude auf ein Bett nahm also ein jähes Ende und ich fand mich schon damit ab, weiter nach einer Unterkunft suchen zu müssen. Schnappte mir meine Tasche und drehte schon ab, als die Tochter der Hausherrin hereinkam. Bernd witterte seine Chance und fing wiederholt an seinen Text runter zu beten. Seine Hartnäckigkeit zahlte sich aus und nach einer gefühlten Ewigkeit willigten die beiden ein und überließen uns die zwei gebuchten Zimmer. Das Einzelzimmer erhielt Bernd, der nachts laut atmet und so sichergestellt wurde, dass jeder von uns dreien seinem erholsamen Schlaf erhält. Nach einer Dusche schickte Norbert noch schnell die Adresse an Team 2 ehe wir uns ablegten. Der Wecker klingelte wie immer zu früh und nach einer kurzen Kommunikation mit dem anderen Team machten wir uns auf den Weg um noch ein Stück entgegen zu fahren. Vor der Übergabe machten wir aber noch kurz an einer noch offenen Tankstelle halt, in Österreich nicht einfach zu finden, wo wir uns mit dem ersten Kaffee und einem kleinen Frühstück auf die kommende Schicht vorbereiteten. Übergabe erfolgte, diesmal passenderweise in einer Kurve, nachts gegen 02:30 Uhr.

Schicht 4 verlief fast wie immer mit den üblichen Aufgaben, Garmins reparieren, Getränke mixen, bereitstellen und übergeben, Klamotten trockenlegen, Ordnung im Auto schaffen, Müll trennen und entsorgen. Als dann unser Fahrer Bernd zum zweiten Mal schwächelte, übernahm ich auch noch das Steuer zwischendurch. So gönnte ich unserem Teamcaptain eine kurze Auszeit hinten im Auto für einen Powernap. Das Wetter war nach wie vor mies und Thorsten kämpfte sich Kühtai hinauf, in dem er die komplette Straßenbreite nutzen musste, so steil waren einige Passagen. Unfassbar wenn man berücksichtigt was schon an Strecke zurückgelegt wurde.

Team 2 war mit der Unterkunft sehr zufrieden, und machte sich frisch gestärkt nach dem Frühstück wieder auf den Weg. Erzählten uns, wie begeistert die beiden Damen der Pension gewesen waren, nachdem erst mal das RAA Konzept verstanden wurde. Sie wollten auf der App das restliche Rennen verfolgen und waren dann stolz uns geholfen zu haben. Somit hatten Thorsten zwei weitere Fans gewonnen.

Ein anderer Fan hielt uns in Mitten einem Ort auf, wo genau das war weiß ich nicht mehr, jedoch forderte er uns auf die Fensterscheibe runter zu kurbeln, überreichte uns ein Tüte vom Bäcker gefüllt mit Leckereien und motivierte uns dazu unseren Athleten ins Ziel zu bringen. Natürlich ließen wir auch ein Teilchen für Thorsten übrig und verpflegten ihn zwischendurch immer mit allerlei nahrhafter Sportlernahrung ;-)) Schließlich mussten wir darauf achten nicht noch mehr selbst in uns reinzustopfen, musste ich mit Bernd eh schon immer Gummibärchen essen, um unter den verschiedensten Sorten die Besten auszumachen.

In Imst angekommen klärten wir den nächsten Übergabepunkt. Alle Übergabepunkte konnte Markus aus Team 2, der Streckenkundigste, fast immer genau vorhersagen. Musste doch Pace des Radlers, Rahmenbedingungen wie Wetter und vieles Weitere berücksichtigt werden. Er war in beiden Teams derjenige, der gefragt wurde, wenn es darum ging wo die Wechsel geplant werden sollen. Für mich immer sehr beeindruckend, dass die Angaben immer passten.

Übergabe fand diesmal am Supermarktparkplatz Hofer in Landeck statt, wo Thorsten ausnahmsweise vorbeiradelte. Wir verquatschten uns bei der Übergabe und stellten später fest, dass Erik seinen Rucksack im Pace Car vergessen hatte. Die Konzentration lies bei uns allen nach. So musste Team 2 dann auch zügig auf Thorsten aufschließen, war es in Ortschaften nicht immer ganz leicht allein zu navigieren, bzw. im Verkehr direkt hinten dran zu bleiben.

Team 1 fuhr bei schlechtestem Wetter weiter in Richtung Warth, ich wieder bergauf und bergab durch Österreich. Zwischenzeitlich wurden wir über einen ziemlichen Hänger von Thorsten informiert. Team Captain Bernd wies Team 2 darauf hin sich auf keine Diskussionen einzulassen und dass weitergefahren wird. Man merkte ihm an, wollte es dieses Jahr mindestens genauso sehr wie Thorsten, das Rennen endlich zu finishen.

Hatte unser Doc Manfred Thorstens Knie doch zwischenzeitlich gut in den Griff bekommen, musste nun nur noch der Kopf unseres Athleten stabil bleiben. So entschied Team 2 den Ultraradfahrer mit einem Kaiserschmarrn zu motivieren und ich merkte, dass ich im falschen Team gelandet bin. Wir jedoch hatten am Nachmittag auch eine nette Kaffeepause, wo Bernd wieder mal alle unterhielt. Über die beiden netten Mädels des Cafés bekamen wir den Kontakt für unsere nächste Unterkunft. Eine kleine nette Pension etwas nach hinten versetzt von der Hauptstraße, wo direkt die Strecke entlang verlief. Sollte somit also recht ruhig zu schlafen sein. Anfänglich mit den gleichen Bedenken, wie bei der letzten Pension bezüglich der österreichischen Vorschriften, konnte Bernd den sehr sympathischen älteren Herren sehr schnell überzeugen und wir konnten uns die zweite Nacht in Folge auf ein Bett freuen. Unser Abendessen bekamen wir in dem kleinen Ort irgendwo im Lechtal auf Empfehlung unseres Vermieters im integrierten Kiosk, eine Art Bistro des Freibads. Konnten wir zuerst nicht erkennen, ob der Kiosk noch geöffnet ist, erhielten wir dort aber doch noch eine warme Mahlzeit und die obligatorischen 1-2 Feierabendbierchen.

Wieder klingelte nachts um halb eins der Wecker und wir fuhren dem anderen Team entgegen. Mussten einen Pass hoch, wo Thorsten essen und schlafen wollte. Nach Übernahme machte Thorsten nachts gegen 01:30 einen Powernap. Wir saßen im Auto dabei und verhielten uns soweit es ging ruhig. Es war ziemlich kalt oben auf dem Berg und natürlich weiterhin regnerisch mit leichtem Graupelschauer. Zwischenzeitlich überholte uns Stefan Wagner, ein weiterer Teilnehmer, samt Pace Car. Nach erfolgter Weiterfahrt konnte Thorsten aber nachts gegen 03:30 Uhr auf den Kontrahenten aufschließen und fuhr locker hinterher. Außenstehend betrachtet eine völlig abstruse Situation. Da fahren zwei Radfahrer bei Temperaturen knapp über null und Regen vor blinkenden Fahrzeugen, welche den Weg halbwegs erhellen, mitten durch die Nacht. Weiß man nun noch wieviel Kilometer die Radler schon hinter sich gebracht haben, am Stück wohlgemerkt, kann man es kaum fassen.

Irgendwann überholten wir Wagner wieder, weil der vermutlich ein Päuschen machte. Um viertel vor 06:00 dann warteten wir mit dem Pace Car in Lermoos bei einer Pinkelpause auf Thorsten. Der kurbelte doch sichtlich angestrengt den Hügel hoch und machte keinen wirklich guten Eindruck auf mich. So kam es, dass er rechts ran fuhr und sagte, dass er unbedingt eine Pause machen muss. Also gönnten wir ihm einige Minuten. Kurz darauf fuhr auch Stefan Wagner den Hubbel hinauf und machte auf mich einen noch schrecklicheren Eindruck. Wir feuerten ihn an und munterten ihn auf. So war es immer zwischen den Teilnehmern und den Teams. Sportlich fair und immer mit Respekt und Anerkennung untereinander. Gönnte jeder dem anderen ein schnelles Vorankommen. Hierzu gleich noch mehr.

Auch diese Nacht haben wir dann hinter uns gebracht und steuerten nach Weiterfahrt auf Innsbruck zu. Nicht wissend, dass der wohl schlimmste Streckenabschnitt kurz bevorsteht. Fernpass!

Auto an Auto, unglaublicher Verkehr und alle Autofahrer ungeduldig und rücksichtslos. Wohlgemerkt war unser Pace Car mit entsprechenden Hinweisen auf ein Radrennen gekennzeichnet, auch die blinkenden Leuchten auf dem Dach unseres Auto konnte man eigentlich mit einer Gefahrensituation in Verbindung bringen, so gibt es leider nicht wenige die uns hupend überholten und an Thorsten mit nicht wirklich viel Abstand, das Risiko eines Unfalls in Kauf nehmend, vorbeirasten. Den Atem im Auto des Öfteren anhaltend, wünschten wir uns den Abschnitt schnellstens hinter uns bringen zu können.

Zwischenzeitlich hatten auch unsere Warmluftdüsen im Auto, welche als Wäschetrockner dienten, das zeitliche gesegnet und bliesen nur noch kalt. Brrr…

Den Fernpass hinter uns gebracht fuhren wir in Innsbruck wieder auf Wagner auf. Sein Team nicht direkt hinter ihm. Der wiederum fuhr zielstrebig aber etwas desorientiert umherschauend direkt auf einen kilometerlangen Tunnel zu. Selbst noch mit der korrekten Navigation beschäftigt, merkten wir auch erst kurz vor dem Tunnel rechts abbiegen zu müssen Bernd kurbelte kurzerhand das Fenster runter und schreite was das Zeug hält, RECHTS! Du musst rechts! Glücklicherweise hörte Stefan dies und konnte so eben noch rechts über den Schotter abbiegen, ehe er im Tunnel verschwunden wäre. Das sind diese Situation, die den sportlich, fairen Gedanken des Rennens wiederspiegeln. Einfach fantastisch!

Kurz nach 10:00 Uhr konnten wir Innsbruck hinter uns lassen, was eine angespannte Situation für uns alle gewesen ist. In der Stadt ist es schier unmöglich, wegen dem Verkehr einen Radfahrer komplett durch zu navigieren. Hat aber sehr gut geklappt und wir waren selbst darüber erstaunt. Nächster Halt zum nächsten Wechsel sollte Ebbs am Billa Supermarktparkplatz sein. Kurz zuvor besorgte Team 2 im Mcdonald in Kufstein einen Chickenburger. Thorsten ließ uns diesen für ihn beim anderen Team bestellen. Wie bereits erwähnt, die Sportlernahrung ist sehr, sehr wichtig… haha…

Das sollte sie dann gewesen sein. Unsere letzte Schicht!

Wir fuhren nach Walchsee, wo ich zielstrebig das Café am Seestrand ansteuerte, wo es meiner Meinung nach einen äußerst leckeren Kaiserschmarrn gibt. Diesen gönnten sich Norbert und ich und verfolgten nebenbei gespannt die vielen Kommentare auf WhatsApp der ganzen daheimgebliebenen Fans. Aber nicht alle sollten daheim bleiben. Es machte schon seit einiger Zeit die Runde, dass sich wohl Nachbarn und Freunde auf den Weg nach Österreich machten, um die erhoffte Zieleinfahrt von Thorsten live vor Ort zu mit zu erleben und anschließend mit ihm zu feiern.

So kam es, dass sich uns unbekannte Freunde von Thorsten bei uns meldeten und anfragten, wann in etwa Thorsten wo durchfährt. Hierzu später noch eine Anekdote.

Anschließend fuhren wir wieder auf Team 2 auf und begleiteten kurze Zeit ehe wir uns auf dem Weg in Richtung Dienten, wo es den letzten erwähnenswerten Anstieg zum Filzensattel hoch zu bezwingen gab, machten. Dort angekommen trafen wir uns mit Bernds Frau und deren sowie Thorstens Nachbarn, die sich auf einer Hütte zwischenzeitlich gestärkt hatten. Norbert und ich nutzten die Zeit im Auto mit einem kurzen Schläfchen ehe Thorsten mit einem großen extra angefertigten Banner unter großem Trubel empfangen und den Berg hochgepeitscht wurde. Hier begleitete der ein oder andere unseren RAA Hero zu Fuß den Berg hoch.

Team 1 hatte zwar Schichtende, sollten aber auf Bitte von Team 1 noch irgendwo Red Bull besorgen, so dass die letzten Kilometer auch tatsächlich bewältigt werden können. Also brausten wir hoch nach Dienten und da wir keinen offenen Supermarkt mehr auffanden, haben wir kurzerhand im nächsten Hotel, die wohl teuersten Red Bull Dosen ever organisiert. Was uns aber völlig egal war. Schließlich ging es ums Finish. Was sind da ein paar völlig überteuerte Energy Drinks?

Wir übergaben die Dosen und fuhren weiter nach Golling, wo ein weiteres Stimmungsnest eingerichtet werden sollte. Nach einer kurzen Stärkung in einem Eiscafé warteten wir am Straßenrand, wo wir die Aufmerksamkeit auf uns lenkten, mit dem Banner und der aufgekratzten Stimmung und kamen schnell mit RAA verfolgenden Fans in Kontakt. Wieder wurde Thorsten ein tobender Empfang beschert. Nicht so laut und voll, wie am Solarer Berg aber mindestens genauso wertvoll für den Kopf

Danach in Richtung Hallein, wo Tim und die weiteren uns unbekannten Freunde von Thorsten laut WhatsApp ihren Standort markierten. In Hallein angekommen sahen wir um 21:30 Uhr zwei am Straßenrand, mit der Fahne einer österreichischen Brauerei ausgestattet, winkende Personen. Das mussten die Freunde sein. Keine Frage. Wir machten kehrt, parkten halb auf dem Gehsteig und schon aus dem Auto aussteigend, stellten wir uns auf den paar Metern zu ihnen hin bereits vor. Wie schön es doch sei, sich endlich persönlich kennen zu lernen. Als die beiden jedoch mit österreichischem Dialekt antworteten, machte sich bei uns Verwirrung breit. Es handelte sich also nicht um die Freunde von Thorsten. Nichtsdestotrotz hatten wir ein nettes Gespräch mit den beiden, deren Athlet, für welchen sie ebenfalls als Betreuer unterwegs waren, bereits ausscheiden musste. Hier in Hallein wollten sie nun noch die restlichen Athleten, unter anderem Thorsten, anfeuern. Eine tolle und witzige Begegnung mit einer Verbindung, die man sofort gespürt hatte.

Dann aber trafen wir sie tatsächlich. Ein Wohnmobil am Straßenrand welches kaum übersehbar war. Tim, Michael, Susanne, Reinhard und Nicole. Wir plauderten noch kurz und fuhren in Richtung Ziel, um schon mal etwas vorzuglühen.

Das ein oder andere Bier danach irgendwann so um 00:45 Uhr ist es endlich soweit… Wir warten schon auf der Bühne auf unseren Athleten. Thorsten fährt durch den Zielbogen hoch über die Rampe auf die Bühne. ZIEL! Finisher 2018! Was für eine unglaubliche Leistung! Für uns alle wird es jetzt emotional. Es fließen Tränen. Wir fallen uns in die Arme und sind happy.

Nach einem ewig dauernden Interview, welches sein Freund Michael kurzerhand übernahm, brachen alle Dämme und es wurde sich gefreut wie kleine Kinder während man auf der Bühne Schampus Flaschen verspritzte.

Wir feierten bis morgens um 05:00 Uhr ehe wir in dem angemieteten Hotelzimmer, Mitten in St. Georgen, drei Stunden schlafe bekommen haben. Nach dem Frühstück ging es gemeinsam mit Norbert auf die letzte anstrengende Etappe in Richtung Heimat.

Ich bin froh, dass mich Thorsten als Betreuer angefragt hat und ich an diesem Erlebnis teilhaben durfte. Jeder von uns hat seinen Teil dazu beigetragen, um Thorsten diesen Traum zu erfüllen. Ich habe so viele Eindrücke mitgenommen, die gar nicht so schnell verarbeitet werden konnten. Eine tolle Erfahrung bei der ich tolle Menschen kennenlernte.

Was für ein Erlebnis! Es war mir eine Ehre!

P.S. Von der 3 kg Gewichtszunahme ganz abgesehen, merkte selbst ich den massiven Schlafentzug noch eine Woche danach und brauchte eine Weile, bis alles wieder im Gleichgewicht gewesen ist.

https://www.racearoundaustria.at/