Der Ironman Kopenhagen 2019 ist Geschichte. Eine Geschichte mit Happy End?

Am Donnerstag um 07 Uhr startete unser Road Trip nach Dänemark. Ziel Kopenhagen. 1.075 km lagen vor uns. Der Caddy war mit einem Rad und 4 Personen voll bepackt. In Deutschland von vielen Staus behindert, ging es bereits auf der Autobahn in Dänemark merklich entspannter voran trotz max. 130 km/h.

Nach 13 Stunden Autofahrt, endlich Ankunft um 20 Uhr. Nach erfolgter Schlüsselübergabe für unser Appartment und einem kurzen Pläuschchen mit Alberto aus Argentinien, der uns die Schlüssel übergen hatte, machten wir uns auch gleich auf die Suche nach einem Abendessen. Nach kurzem Hin und Her und Erkundung der unmittelbaren Umgebung war der Hunger groß und so zog es uns in Richtung Zentrum, wo wir schließlich in dem Schnellrestaurant mit dem gelb, goldenen Initialbuchstaben gelandet sind. Kurz noch die ersten Eindrücke von Kopenhagen bei Nacht gesammelt, ehe es dann endlich ins Bett ging.

Freitags stand dann bereits im Zeichen der noch zu erledigenden Vorbereitungen. Auf zur Registrierung und Startunterlagenausgabe.

Auf dem Weg in die Stadt fiel unmittelbar die immens große Anzahl der Fahrradfahrer auf. Kopenhagen, eine der fahrradfreundlichsten Städte weltweit!

Es hat den Anschein einer Invasion, so viele Radfahrer sind hier unterwegs.

Nach erfolgter Registrierung, mit der Nummer 2701 sollte es Sonntagmorgen an den Start gehen sowie zügigem Messedurchgang, gings zurück zur Unterkunft. Diese war nur wenige Gehminuten von der Anmeldung im BLOX, einem architektonisch modernen und zentrumsnahen Gebäude, entfernt. So schlenderte ich zurück ins Appartement, um meine erste Vorbelastung und sogleich eine der letzten Einheiten der Vorbereitung zu absolvieren. Ein 30 minütiges Läufchen mit kurzen Intervallen im Wettkampftempo stand noch auf dem Plan. Ich fühlte mich richtig gut und war sowohl körperlich als auch mental in einer top Verfassung. Dass der mentale Bereich noch eine wesentliche Rolle einnehmen würde, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Aber zu diesem Thema kommen wir später noch.

Nachmittags dann noch Sightseeing „light“. Um die Beine nicht schon vor dem Ironman müde zu Laufen ging es per Boot bei bestem Wetter kreuz und quer durch Kopenhagen.

Am Samstag nach dem obligatorischem Frühstück in einer Bakery, meist bei Andersen… sooo lecker… entschied ich sicherheitshalber mal an der Wettkampfbesprechung teilzunehmen. Konnte bzw. wollte ich wetterbedingt (Regen 18 Grad) nicht mehr ins Wasser, um die geplante Schwimmvorbelastung durchzuführen. So lauschte ich dem 100% automatisierten Race Briefing, welches x-mal in einem Präsentationsraum wiederum im BLOX durchlief. Stellte anschließend jedoch fest, dass dies gegenüber dem „Athletes Guide“ keinerlei Mehrwert geboten hatte. Einzig das gratis Frühstückspaket, welches jeder Teilnehmer dort erhielt, konnte ich abgreifen.

Anschließend war Füße hochlegen angesagt, ehe ich am Nachmittag mit dem Auto zum Bike Check In, an den gut 10 Minuten entfernten Amager Strand, fuhr. Dort angekommen machte ich einen letzten Check, bei einer verkürzten Rad Vorbelastung, meiner Rennmaschine. Der Wind blies doch recht heftig und es war ungemütlich dort draußen am Wasser. Meine Begleiter, inzwischen per Metro am Strand angekommen, waren sichtlich gezeichnet vom anstrengenden Sightseeing. Gemeinsam erledigten wir den Bike Check In und Beutelabgabe ehe es mit dem Auto zurück in die Stadt in unser Appartement ging. Abendessen die obligatorische Pizza (das Eis hatte ich bereits am Freitag), bevor wir bereits gegen 21 Uhr müde ins Bett fielen.

Nach einer guten Nacht, wachte ich Sonntag Morgen bereits 15 min. vor dem, auf 04:30 Uhr gestellten, Wecker auf und bereitete meinen Supportern schon mal den Kaffee und das Frühstück vor. Sollte doch sichergestellt sein, dass diese den Tag am Streckenrand ebenfalls durchhalten.

Ich wurde mit dem Auto um 05:30 Uhr zum Strand chauffiert. Wären es von der Metro Station aus doch noch ca. 20 Minuten zu Fuß gewesen. Was für ein Service! Nach den üblichen Vorbereitungen (Flaschen ans Rad, Radcomputer an, wichtige Körperteile einfetten) und kurzem Warm Up in der Wechselzone waren inzwischen auch alle meine Supporter, die noch das Auto zurückfuhren, wieder mit der Metro zurück am Strand angekommen. Die Zuschauer sind beim Schwimmstart ganz nah am Geschehen. Nach ein paar Abschiedsfotos, Drücken und Küsschen ging es dann auch schon los und die ersten wurden ins Wasser gelassen. Schwimmstart mit Rock Mucke… Yeah!

 

Swim

Keine Probleme beim Rolling Start. Das Wasser war kalt mit 18 Grad, dafür aber kaum Traffic und Wellengang. Anfangs hatte ich schlechte Sicht wegen meiner beschlagenen Brille und aufgehender Sonne, wodurch ich mich aber nicht ablenken lies. Das Wasser war klar und weil es nicht sehr tief gewesen ist, konnte man manchmal den Grund der Ostsee sehen. Ab und an hatte ich mit Schlingpflanzen zu kämpfen, die man zwischen den Fingern oder auf dem Kopf vor der Brille hatte. Das war aber kein größeres Problem. Ziemlich schnell habe ich einen guten Rhythmus gefunden und kam gefühlt gut voran. Inzwischen fühlte sich das Wasser auch nicht mehr so kalt an. Ab der Hälfte etwa hat mein unterer Rücken angefangen zu schmerzen, was ich in der Vorbereitung auch das ein oder andere mal hatte und ich musste die Beine etwas rausnehmen. Dadurch verringerte sich zwar der Schmerz, aber das Wasser fühlte sich wieder kälter an. So kam mir der Rückweg auch etwas länger vor. Unter den Brücken hindurch habe ich immer mal kurz nach oben geschaut, ob ich meine Crew entdecken konnte. Die Zuschauer waren auch hier nah dran. Standen verteilt auf den 3 Brücken wo man hindurchschwimmen musste. Nachher stellte sich heraus, dass meine Crew mir an der letzten Brücke zuschrien. Leider habe ich das nicht mitbekommen.

So kam ich nach 01 Std. 16 Min , meiner Standardschwimmzeit, aus dem Wasser.

 

T1

Nachdem ich mich aus dem Neo gekämpft und ich mein Equipment fürs Rad hatte, musste ich erst mal aufs Dixie. Es war ein laaanges Pinkeln… Wasser war doch etwas kalt und bin ja schließlich keine 20 mehr. Nach einer gefühlten Ewigkeit hüpfte ich aufs Rad. Auch wen die Wechselzone lang war, hat mir die Pinkelpause doch erheblich Zeit gekostet. 6 Minuten Wechselzeit!

 

Bike

Vom Strand aus ging es erst mal in Richtung Kopenhagen Zentrum und danach aus der Stadt raus. Meinen Vorgaben gerecht fuhr ich locker an. Nachdem wir aus der Stadt waren führte uns die Strecke ca. 15 km einer Küstenstraße entlang. Dort lief es bei hohem Tempo nur so dahin… ziemlich geil! Wie auch schon in der Vorbereitung hatte ich auf dem Rad ein gutes Gefühl und auch heute spielten die Beine mit. So überholte ich viele, ohne wahnsinnig viel Druck aufs Pedal bringen zu müssen. Ich sollte das Küstenstück in der ersten Runde aber noch „gemütlicher“ angehen und erst in Runde zwei dort mehr investieren lt. Pacingvorgaben.

Im „Hinterland“, die Strecke führte uns weg von der Küste, war dann sehr viel Verkehr. Einerseits viele Athleten auf der Strecke, andererseits Gegenverkehr, weil die Strecke nicht komplett gesperrt war. Teils enge Straßen, wo das überholen häufig nicht oder nur mit Risiko möglich gewesen ist. Es kam bei mir oft eine Art von RTF (Rad Touristik Fahrt) Feeling auf. Ich versuchte im Wettkampfmodus zu bleiben und das Tempo hochzuhalten und musste passende Streckenabschnitte abwarten, um an manchen größeren Gruppen vorbeifahren zu können. Das Streckenprofil war mit kleineren „Rolling Hills“ welliger als der erste Abschnitt, mit Gesamt 900 Höhenmetern aber doch recht flach. Die erste Runde verging trotz des starken Verkehrs wie im Flug. An der Abzweigung, wo es links in Runde 2 und rechts Richtung Ziel geht ca. km 90, positionierten sich meine Fans. Extra fuhren sie mit den Öffentlichen aus der Stadt, um mich an der Radstrecke anzufeuern. Hätte ich die Hände nicht am Lenker halten müssen, hätte ich 2 Daumen nach oben dafür gegeben. So erwiderte ich die Anfeuerung mit einem lauten… Juhuuuuu…!

Ich fühlte mich super gut! Auch die Verpflegung funktionierte top und so freute ich mich auf meinen Lieblingsabschnitt der Strecke, die Küstenstraße.

Gemäß Vorgabe diesmal mit mehr Druck. Diesen musste ich auch aufbringen, war der Wind in Runde 2 doch etwas stärker. Es begann leicht zu nieseln. Immer wieder mal zwickte es vom Gluteus ausgehend über den Hüftbeuger bis runter ins rechte Knie. Ich denke, das war den kühlen Temperaturen geschuldet. Hatte es auf dem Rad nie mehr als 19 Grad. Aber auch in der weiten Runde blieb ich fokussiert und so ging es dann beim zweiten Mal an der Abzweigung auch schon rechts in Richtung Kopenhagen. Zu meinem erstaunen fuhr bei km 170 der erste und einzige Wettkampfrichter auf dem Motorrad an mir vorbei. Die letzten km in Kopenhagen waren dann extrem ruhig. Ging es teils auf Radwege, hoch auf Gehsteigen und wieder runter vom Bordstein auf eng abgesteckten Straßen. So cruisten wir dem Ziel entgegen. Viel zu früh schlüpfte ich aus den Schuhen, dachte das Ziel sei nah, doch zog es sich noch wie Kaugummi. Dann endlich, Wechselzone in Sicht. Die letzten Meter der Laufstrecke entgegengesetzt entlang, wo es für mich ebenfalls gleich hingehen sollte.

Nach 05 Std. 15 Min. runter vom Rad und rein in die Wechselzone.

 

T2

Nach dem Umziehen suchte ich desorientiert nach einer Abgabemöglichkeit meines Beutels. Bis mir ein Helfer sagte, dass dieser wieder an den Haken zurück zu hängen ist, woher ich diesen vorher genommen hatte. Also kurz dorthin zurück bevor ich erneut, wie schon in T1 dringend mal musste. Diesmal ein noch läääängeres Pinkeln. Inmitten der Wechselzone an einer Art Säulen Pissoir. Hier können 5 Männer gleichzeitig im Kreis… haha… Der Wechsel war wieder mit 6 Minuten recht lang.

 

Run

Versucht gemäß den Vorgaben nicht zu schnell loszulaufen, fühlten sich meine beiden Hüften gleich ziemlich fest an. Aus der Wechselzone raus gleich an meinen Edelfans vorbei, die sich auf der Laustrecke in der Stadt ziemlich zentral positionierten, so dass sie mich 2x je Runde sehen konnten.

Irgendwie habe ich keinen Rhythmus gefunden und bin nicht gut reingekommen. Bei km 4 ca. war plötzlich mein linkes ISG (Iliosakralgelenk) stark blockiert. Die kleinen Steigungen kam ich nur mit viel mühe und starken Schmerzen im unteren Rücken hoch. Natürlich zog auf Grund der Blockierung links meine Achillessehne ziemlich stark, die mir ja im Laufe der Vorbereitung einige Laufkilometer gekostet hatte. Kurzzeitig überlegte ich mich hinzulegen, um meine linke Seite aufzudehnen und so die Blockade zu lösen. Ich war ziemlich niedergeschlagen. In so einem Moment gehen einem ja so manche Gedanken durch den Kopf. Gehen?… Aufgeben?… Nicht mein Tag!… Nicht mein Sport!… Blalabla…

Natürlich ist ein Ironman kein Spaziergang!

Ich musste mir was einfallen lassen, um aus diesen negativen Strudel rauszukommen. So sagte ich mir innerlich ab diesem Zeitpunkt ununterbrochen…

Ich bin stark! Ich bin stark! Ich bin stark!

Kilometer um Kilometer. Verpflegungsstelle um Verpflegungsstelle. Ohne Pause konzentrierte ich mich auf diesen Satz, den positiven inneren Dialog, mein Mantra. So hatte ich die erste Runde von 4 mit jeweils 10 km hinter mir gelassen. Den Streckenverlauf an vielen Sehenswürdigkeiten von Kopenhagen vorbei habe ich gar nicht richtig wahrgenommen, so fokussiert bin ich gewesen. In der Stadt bin ich dann wieder auf meine Lieben aufgelaufen und hab mich gefreut sie zu sehen. Wieder wurde ich angefeuert und abgefeiert, was mich ziemlich motivierte. Schließlich wollte ich auch für sie ins Ziel.

Dann, es war so bei km 11, stellte ich fest, dass mein ISG gar nicht mehr schmerzte. Von da an habe ich einen guten Schritt gefunden und konnte auch meine Pace annähernd wie vorgegeben umsetzen. Es war wie ein Moment in dem es „Klick“ machte. Ich war so happy und kurz auch so emotional, dass ich hätte heulen können. Ich wollte finishen und im Ziel einlaufen. Die Strecke führte wieder raus aus der Stadt am Wasser entlang bis zu einem kleinen Leuchtturm, wo es die Rundenbändchen gab. Zwischenzeitlich hatte es auch zu regnen angefangen. Da draußen war es dann irgendwo, als mein rechter Oberschenkel die kleinen Hügel nach unten dicht machte und ziemlich weh tat. Dies kannte ich normalerweise erst so bei km 35 aber egal. Weiterhin sagte ich mir meinen Satz ununterbrochen zu und war höchst fokussiert.

Ziemlich genau an der Halbmarathonmarke, meine Verpflegung hat bis dahin richtig gut funktioniert, war mein Magen dann so dicht, dass ich kurz davor war Gehen zu müssen. So wechselte ich bei der nächsten Verpflegungsstelle auf Cola. Cola geht ja immer, dachte ich mir und lief in meiner angeschlagenen Pace konstant weiter. Zum Glück war die Magenproblematik nach 10 Minuten vorbei. Wieder an meinen Supportern vorbeigekommen machte ich mich in Richtung Leuchtturm, um mir mein drittes Rundenbändchen zu holen.

In Runde 3 bei Km 25 etwa hatte ich dann starke Leistenschmerzen, welche ich aber auch gut „wegdrücken“ konnte, da ich ja stark war. Als ich in Runde 4 letztmalig an meiner Crew vorbeikam schrie ich dann: „Wir sehen uns im Ziel!“ vom Finish überzeugt, waren es schließlich nur noch knapp 10 km. Gefühlt hatte ich auf die Stadt zulaufend immer mehr Energie und es rollte teils recht ordentlich, im Gegensatz dazu, wenn es von der Stadt weg ging. Aber nun konnte mich sowieso nichts mehr aufhalten. Ich wusste, ich schaffe es heute. Die letzten 10 km waren hart, keine Frage. Verglichen mit dem Beginn aber bei Weitem nicht mehr so sehr. Und so kam ich dann endlich an. Auf dem roten Teppich im Ziel. Voller Energie und glücklich!

Marathon in 03 Std. 58 Min. im Ziel – Geschafft!

 

Finish

Mit starken Schmerzen im Ziel, bekam ich auch gleich eine Wärmefolie umgelegt, denn durch den Regen war es doch richtig kalt. Umgehend verpflegte ich mich mit Cola und Co. Leider war die Zielverpflegung so rein gar nicht nach meinem Geschmack. Mein Support wartete schon am Ausgang des Zielbereichs und nachdem ich mich im Nieselregen in einem nach oben offenen Umkleidebereich umziehen musste, verließen wir diesen auch recht bald. Rad und Wechselbeutel abgeholt und ab in Richtung Appartement. Gerne hätte ich die Atmosphäre im Ziel noch genossen, was der weiterhin leichte Regen leider verhinderte.

Beim Bierchen haben wir dann gemeinsam den Tag Revue passieren und ausklingen lassen.

Der Marathon stellte mir sehr viele Herausforderungen. Aus diesem Grund bin ich super zufrieden mit dem Ergebnis und auch sehr dankbar, dass ich an diesem Tag mit großer mentalen Stärke und Fokus mein Ziel nicht aus den Augen verloren habe. Darauf bin ich schon ein bisschen stolz. Sind es schließlich diese Momente warum man sich solchen Herausforderungen stellt.

 

Am Tag danach

Die Achillessehne gespannt wie Drahtseile, Fortbewegung nur humpelnd möglich. Die Muskulatur schmerzte auch so stark wie nie zuvor nach einem Ironman.

Nichtsdestotrotz hatten wir noch 2 Tage zum Sightseeing. Zuerst natürlich die „light“ Variante, diesmal per Bus und am nächsten Tag dann nochmal „hardcore“, 18 km zu Fuß quer durch Kopenhagen spaziert.

Es waren 5 wunderschöne Tage mit dem besten Support den man sich vorstellen kann.

Kopenhagen war in allen Belangen eine Reise Wert.